Zwiefacher als Immaterielles Kulturerbe
Der ZWIEFACHE wurde vom Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission im Dezember 2016 in das Bundesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen! Die Musikgattung wurde als identitätsstiftende Kulturform gewürdigt, die in großer Vielfalt erscheint und generationsübergreifend begeistert.
Bereits im November 2016 überreichte Kultusminister Dr. Spaenle den Vertretern des Kulturreferats des Bezirks Niederbayern, das den Aufnahmeantrag gestellt hatte, die Auszeichnungsurkunde zur Aufnahme in das bayerische Landesverzeichnis Immateriellen Kulturerbes.
Der Bezirk Niederbayern lobte im Nachgang zur Auszeichnung einen WETTBEWERB für NEUE ZWIEFACHENTEXTE aus. Die originellsten Einsendungen haben wir für Sie veröffentlicht – viel Freude beim Zuhören und Mitsummen!
Der Zwiefache ist eine überlieferte, typisch bayerisch-böhmische Musikgattung, die sowohl musiziert, getanzt als auch gesungen wird. Seine Besonderheit besteht im Wechsel zwischen Dreiviertel- (Walzer) und Zweivierteltakt (Dreher).
Die älteste bayerische Schriftquelle, die einen Zwiefachen enthält, ist eine um 1740 datierte Musikhandschrift im Stadtarchiv Amberg. Der früheste Begriffsnachweis stammt aus einem Gerichtsprotokoll (Hofmarksgericht Wolfersdorf / Hallertau) vom 12.11.1780. Das älteste Druckwerk mit taktwechselnden Tänzen aus dem Böhmerwald veröffentlichte Johann Ritter von Rittersberg 1825 in Prag. Diese Veröffentlichung gilt auch als frühester gedruckter Nachweis für die gleichnamigen bayerischen Zwiefachen.
Seit dem frühen 20. Jh. bis in die 1950-er Jahre verdichten sich die Zwiefachen-Belege in den zahlreich erfassten ländlichen Musikhandschriften. Die Umfragen des “Atlas der deutschen Volkskunde“ in den frühen 1930er-Jahren weisen in Bayern mehrere hundert Belegorte für Zwiefache aus. Die zur selben Zeit einsetzende bayerische Volksmusikbewegung erhob auch den Zwiefachen zum Gegenstand der Pflege. Seither lässt sich der Zwiefache kontinuierlich und zunehmend in den Nachkriegsjahrzehnten im Repertoire zahlreicher Volksmusikgruppen nachweisen. Beispielgebend für seine Verbreitung waren die Aichacher Bauernmusi (gegr. 1931 von Heini Baronner), die Dellnhauser Musikanten (gegr. 1948 von Michl Eberwein), die Gesangsgruppe Eberwein (Vorgängergruppe gegr. 1925 von Josef Eberwein), die Gesangsgruppe Kriegner (gegr. um 1930 von Hias Kriegner) und Otto Ebner mit seiner Blaskapelle (gegr. 1946). Durch die jahrzehntelange, intensive Zusammenarbeit dieser Gruppen mit dem Bayerischen Rundfunk wurde der Zwiefache in ganz Bayern und darüber hinaus populär. Zahlreiche Publikationen sowie Tonaufnahmen mit Zwiefachen seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute dokumentieren die kontinuierliche Präsenz der Musikgattung.
Heute ist der Zwiefache fester Bestandteil der bayerischen Volksmusikszene, die aus unzähligen Instrumental- und Vokalensembles sowie Tanzgruppen besteht. Auf Seminaren der institutionalisierten Volksmusikpflege (Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e. V., bayerische Bezirke, Kreisvolksmusikpfleger) sowie durch viele Einzelinitiativen auf Vereinsebene wird für die Weitergabe des Zwiefachen in seinen instrumentalen, vokalen und getanzten Formen und Varianten gesorgt.
Generell kommt den bayerischen Institutionen der Volksmusikpflege große Bedeutung zu, indem sie für die Dokumentation und Weitergabe der reichen Zwiefachen-Überlieferung die Grundlagen liefern: Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern, Volkskulturarchiv des Bezirks Niederbayern, Forschungsstelle für fränkische Volksmusik, Oberpfälzer Volksmusikarchiv, regionale Volksmusikstellen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. Doch auch ungeachtet dessen genießt der Zwiefache in der musisch orientierten Bevölkerung breite Akzeptanz und Präsenz. Dies ist umso bemerkenswerter, als damit sein Gebrauch auch außerhalb der organisierten Volksmusikpflege funktioniert. Er erklingt auf Hochzeiten und Faschingsbällen ebenso wie in Bierzelten oder auf Feuerwehrfesten und bei Schützenjubiläen.
[aus dem Antrag auf Aufnahme des Zwiefachen in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes, verfasst von Dr. Maximilian Seefelder und Dr. Philipp Ortmeier, Kulturreferat Bezirk Niederbayern]